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EPICO-Kurzbewertung des Koalitionsvertrages

Erste Impulse für eine markt- und innovationsorientierte Klima- und Energiepolitik, denen konkrete Maßnahmen folgen müssen

Der gestern vorgestellte Koalitionsvertrag der Ampelkoalition bekennt sich klar zum Ziel des Pariser Klimaabkommens, die globale Erderwärmung auf 1,5°C zu beschränken, und will die Grundlage für nachhaltigen Wohlstand auf dem Weg zur Klimaneutralität schaffen.

Die skizzierten Ansätze, um dies zu erreichen sind an vielen Stellen mehr als der kleinste gemeinsame Nenner der Koalitionäre und tragen in Kernteilen eine zielführende markt- und innovationsorientierte Handschrift, die wir als EPICO begrüßen. Gleichzeitig ist die Zielsetzung hochambitioniert, v.a. bei den Erneuerbaren Energien, die einen Ausbau-Dauersprint bis 2030 hinlegen müssen, um 80 Prozent des wachsenden Bruttostrombedarfs von 680 bis 750 Terawattstunden decken zu können. Dazu müssen die langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich gestrafft werden, um wesentliche Stolpersteine für Energieerzeugungs- und Infrastrukturprojekte aus dem Weg zu schaffen. Eine vielschichtige Herausforderung, an der sich die Ampel-Koalition wird messen lassen müssen. Neben dem beschleunigten Hochlauf marktfähiger Technologien und dem Infrastrukturausbau sehen wir Ansatzpunkte mit dem Potenzial, das Innovationstempo im Bereich Wasserstoff pragmatisch zu steigern und sich selbst tragende Dekarbonisierungmärkte anzureizen. Dabei begrüßen wir die angestrebte Weiterentwicklung des CO2-Preissignals mit einem europäischen Mindestpreis und das Verfolgen des Klimaklub-Ansatzes. Die geplante Haushaltsfinanzierung der EEG-Umlage ist für den sozialen Ausgleich und die Stärkung der Sektorkopplung ein richtiger Schritt, dem mit dem beschriebenen Aufbruch zu einem marktwirtschaftlichen Erneuerbaren-Zubau basierend auf langfristigen Stromlieferverträgen (PPA) ein weiterer wichtiger Baustein auf dem Weg zum klimaneutralem Stromsystem folgen kann.

Entscheidend für diese Schlüsselthemen werden die konkreten Maßnahmenvorschläge sein, die in den Bereichen Klimaschutz, Energie und Innovation nun folgen müssen. Wir haben einige Kernvorschläge prägnant analysiert und eingeordnet.


I. Klimaschutz durch ein ambitioniertes Emissionshandelssystem

Positiv ist, dass die Bepreisung von CO2 als Treiber für Klimaneutralität einen prominenten Platz im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung gefunden hat, mit Vorschlägen zur Weiterentwicklung auf deutscher, europäischer und internationaler Ebene.

Die Einführung eines EU-weiten Mindestpreises für CO2 und die Harmonisierung des deutschen Emissionshandelssystems mit dem noch zu beschließenden europäischen Emissionshandelssystem für Wärme und Mobilität signalisieren eine ambitionierte Klimapolitik in Deutschland und Europa. Positiv zu bewerten ist zudem der Einsatz für ein globales Emissionshandelssystem, Klimaclubs und internationale Klimapartnerschaften, um Carbon-Leakage zu vermeiden.

Die Koalition hat zudem erkannt, wie wichtig es ist, die sozialen Aspekte der anstehenden Transformation zu berücksichtigen. Hier sind die Abschaffung der EEG-Umlage und die Einführung eines weiterführenden sozialen Kompensationsmechanismus benannt, der allerdings nicht weiter erklärt wird. Auch ein Zeitplan zur Abstimmung beider Maßnahmen wäre wünschenswert gewesen.

Nächste Schritte

Die neue Koalition sieht bereits zielführende Maßnahmen zur Weiterentwicklung der CO2-Bepreisung vor. Sie sollte notwendige konkrete Vorschläge mit Blick auf die anstehenden Entscheidungen in der EU zum Emissionshandel und zum Grenzausgleichmechanismus sowie auf die kommende deutsche G7-Präsidentschaft schnell ausarbeiten und ihr politisches Kapital für Gespräche mit Handelspartnern nutzen.

II. Weg zum klimaneutralen Stromsystem

Die Ampelkoalition hat richtigerweise festgestellt, dass die bislang angenommenen Strombedarfsprognosen für 2030 zu tief gegriffen sind und sie mit 680-750 TWh nach oben korrigiert. In Verbindung damit strebt sie ein sehr ambitioniertes Erneuerbaren-Ziel zur Deckung von 80% des Strombedarfs bis 2030 an. Der geplante ETS-Mindestpreis dient dabei als Absicherung eines beschleunigten Kohleausstiegs und würde einen Beitrag dazu leisten, Finanzierungskosten für emissionsarme Erzeugungsarten wie Erneuerbare Energien zu senken.

Positiv zu bewerten ist auch, dass die Koalition die EEG-Förderung perspektivisch auslaufen lassen möchte. Mit langfristigen Stromlieferverträgen (PPA) soll ein Instrument gestärkt werden, das den Weg zu einem marktwirtschaftlichen Erneuerbaren-Ausbau ebnet. Angesichts der Flächenknappheit ist ergänzend die Förderung von innovativen Doppelnutzungstechnologien wie Agri- und Floating-PV zielführend. Hierfür bieten sich höhere Ausschreibungsmengen an.

Die Abschaffung der EEG-Umlage ist überfällig, stärkt die Akzeptanz der Energiewende durch niedrigere Verbraucherstrompreise und beseitigt zugleich Wettbewerbsnachteile für erneuerbaren Strom als Schlüsselenergieträger für Klimaneutralität.

Nächste Schritte

Neben der herausfordernden Umsetzung beschleunigter Planungs- und Genehmigungsverfahren als Grundvoraussetzung für das Erreichen der Erneuerbaren-Ausbauziele muss die Ampelkoalition, um aus der EEG-Förderung aus- und in einen marktbasierten Erneuerbaren-Ausbau ohne staatliche Unterstützung mit PPA einzusteigen, einen klaren Fahrplan mit konkreten Instrumenten vorlegen.


III. Innovation und Transformation

Unser „Reality-Check der Nationalen Wasserstoffstrategie“ hat gezeigt, dass die bisherige Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung noch nicht ausreicht, um den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu Genüge anzureizen. Der Koalitionsvertrag erfasst die Wichtigkeit und das Potential einer zügigen und pragmatischen Transformation mit blauem und türkisen Wasserstoff als Brückentechnologien hin zu einer grünen Wasserstoffwirtschaft. Die vorgeschlagenen Klimaschutzverträge (engl. „Carbon Contracts for Difference“ oder CCfD) sind ein notwendiger Zwischenschritt zur Beschleunigung des Hochlaufs auf dem Weg dorthin. Zur Vermeidung von Pfadabhängigkeiten und Aufrechterhaltung von Innovationsanreizen wird die marktorientierte, branchenspezifische Ausgestaltung entscheidend sein. Um die Erreichung der Klimaziele 2030 sicherzustellen, sollten CCfD schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden, um den Unternehmen im Transformationsprozess Investitionssicherheit zu geben.

Obwohl das Potenzial der Digitalisierung im Koalitionsvertrag allgemein anerkannt wird, findet es im spezifischen Kontext des Klimapolitik-Kapitels zu wenig Erwähnung, auch wenn im Bausektor eine Einführung eines digitalen Ressourcenpasses vorgeschlagen wird.

Digitalisierung kann hier jedoch eine umso wichtigere Rolle spielen, um den von der Koalition vorgesehenen, europaweiten Handel mit Herkunftsnachweisen für grünen Strom sowie der Zertifizierung des CO2-Fußabdrucks von Wasserstoff und Folgeprodukten umzusetzen.

Nächste Schritte

Neben den Maßnahmen für einen beschleunigten, pragmatischen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft sollte die neue Bundesregierung einen Schwerpunkt vor allem auf die Nutzung digitaler Innovationen für das Erreichen von Klimaneutralität setzen. Ein CO2-Zertifizierungssystem für Wasserstoff sollte von Anfang an digital etabliert werden, um den CO2-Fußabdruck (inkl. v.a. transportbedingter CO2-Emissionen) transparent und unbürokratisch nachverfolgbar zu machen. Dieser sollte perspektivisch auf Folgeprodukte wie Stahl und schließlich auf Endprodukte ausgeweitet werden. Eine Verschränkung mit dem im Koalitionsvertrag angesprochenen Digitalen Produktpass bietet sich dabei an. Für grünen Strom braucht es nicht nur den europäischen Handel, sondern auch eine stärkere zeitliche und geographische Differenzierung von Herkunftsnachweisen.

Weitere, im Koalitionsvertrag zum Teil aufgegriffene und darüberhinausgehende Maßnahmen zeigt unser „Handlungsprogramm Klima- und Energiepolitik für die neue Legislaturperiode“ auf.