Zum Inhalt springen

Neue weitreichende Klimaziele weisen den Weg für ambitionierte Klimapolitik

Parul Kumar
11.06.2021


Die letzten Wochen waren außerordentlich wichtig, denn es wurden historische Meilensteine gesetzt, die die Weichen für den Klimaschutz in den kommenden Jahrzehnten stellen werden.

Am 21. April 2021 einigten sich die Vertreter des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments nach vierzehnstündigen Verhandlungen auf eine vorläufige Vereinbarung, die das Ziel einer klimaneutralen EU bis 2050 und ein kollektives Netto-Treibhausgas-Reduktionsziel (Emissionen nach Abzug des Abbaus) von mindestens 55% bis 2030 im Vergleich zu 1990 festlegt. Dies ist eine Steigerung der Ambition von dem früheren Ziel von 40% auf das neue Ziel von 55% bis zum Jahr 2030. Diese Einigung auf der EU-Ebene ist historisch, da sie die erklärten Ziele des Green Deal in ein verbindliches legislatives Format bringt. Sie wird auch den Weg für zukünftige verbindliche Ziele ebnen, nachdem die EU-Kommission noch in diesem Jahr Vorschläge im Rahmen ihres Fit-for-55-Pakets vorlegen wird.

Kurz danach, am 29. April veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht einen historischen Beschluss, der die Politik zur Novellierung des Klimaschutzgesetzes verpflichtet: "Der Gesetzgeber muss die Fortschreibung der Minderungsziele für Zeiträume nach 2030 jedoch bis zum 31. Dezember 2022 unter Beachtung der Maßgaben dieses Beschlusses näher regeln." Das Bundeskabinett hat bereits in der laufenden Legislaturperiode, am 12. Mai 2021, eine Novelle des Klimaschutzgesetzes verabschiedet. Die überarbeiteten Ziele im Gesetzentwurf beinhalten die Minderung der Treibhausgase (im Vergleich zu 1990) um mindestens 65 % bis 2030, um mindestens 88 % bis 2040, Klimaneutralität bis 2045 und negative Emissionen nach 2050.

Die Festlegung des höheren Klimaziels auf EU-Ebene und des noch ehrgeizigeren Ziels auf deutscher Ebene in rascher Folge haben gezeigt, dass Deutschland bereit ist, seine Ambition und die Geschwindigkeit auf dem Weg zu Klimaneutralität zu erhöhen und die Verantwortung für eine sehr weitreichende Emissionsreduktion zu schultern. In diesem Zusammenhang ist auch der § 3 Absatz 3 des Klimaschutzgesetzes von großer Bedeutung. Darin ist festgelegt: "Sollten zur Erfüllung europäischer oder internationaler Klimaschutzziele höhere nationale Klimaschutzziele erforderlich werden, so leitet die Bundesregierung die zur Erhöhung der Zielwerte nach Absatz 1 notwendigen Schritte ein. Klimaschutzziele können erhöht, aber nicht abgesenkt werden."

Darüber hinaus sieht der neue Novellierungsvorschlag ein Verfahren zur Überprüfung und weiteren Gesetzgebung in Bezug auf die jährlichen Emissionsmengen der Anlage 2 des Klimaschutzgesetzes im Hinblick auf Änderungen der europäischen Klimaschutzverordnung und der europäischen Emissionshandelsrichtlinie für ein erhöhtes Klimaziel für das Jahr 2030 vor.

Das Klimaschutz Gesetz in Deutschland hat sich vorher die Ziele von Treibhausgasneuträlitat bis 2050 (§ 1) und von einer Mindestminderungsquote der Treibhausgasemissionen von 55 Prozent bis zum Jahr 2030 im Vergleich zum Jahr 1990 (§ 3(1)) gesetzt. Laut des am 15. April 2021 veröffentlichten Berichtes des Expertenrat für Klimafragen ist das nationale Ziel von mindestens 55% Minderung bis zum Jahr 2030 mit einer Minderung von 40% auf der EU-Ebene konsistent, und das neue deutsche Klimaziel für 2030 in Übereinstimmung mit einem ehrgeizigeren EU-Klimaziel wurde auf einen Wert zwischen 62 und 68 % geschätzt.

Obwohl die Vereinbarung noch die endgültige Zustimmung des Europäischen Rates und des Parlaments erhalten muss, weist die Pressemitteilung des Rates der EU bereits darauf hin, dass zu den Elementen des Abkommens die Einrichtung eines Europäischen Wissenschaftlichen Beirats zum Klimawandel und indikative Fahrpläne der einzelnen Wirtschaftssektoren zur Erreichung des Ziels der Klimaneutralität bis 2050 gehören.

Weitere Zielsetzung

Der im Dezember 2020 veröffentlichten Entwurf zur Novellierung des europäischen Klimagesetzes sieht als verbindliches Ziel die Nettoneutralität bis 2050 und als Zwischenziel eine Reduktion der Netto-Treibhausgasemissionen (Emissionen nach Abzug des Abbaus) um mindestens 55 % im Jahr 2030 vor (im Vergleich zu 1990). Diese Ziele werden nun, nach der Einigung im April, gesetzliche Verankerung finden. Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass innerhalb von 6 Monaten nach der ersten globalen Bestandsaufnahme im Rahmen des Pariser Abkommens (Artikel 14) im Jahr 2023 ein Vorschlag für das Klimaziel 2040 der Europäischen Union vorgelegt wird.

Der Entwurf enthält jedoch keine expliziten Zwischenziele (z.B. zwischen 2021 und 2030), sektorale Ziele oder die spezifischen Beiträge der einzelnen Mitgliedsstaaten. In Artikel 2 werden die Grundsätze, die der objektiven Erreichung der Klimaneutralität auf Ebene der Union und der Mitgliedstaaten zugrunde liegen, wie folgt ausgeführt: "Die zuständigen Organe der Union und die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen auf Ebene der Union bzw. der Mitgliedstaaten, um die gemeinsame Verwirklichung des in Absatz 1 genannten Ziels der Klimaneutralität zu ermöglichen, wobei sie berücksichtigen, wie wichtig es ist, sowohl Fairness und Solidarität unter den Mitgliedstaaten als auch Kosteneffizienz bei der Verwirklichung dieses Ziels zu fördern ..." Daher wird auch die weitere Gesetzgebung der Klimaziele auf der Ebene der Mitgliedsstaaten von großer Bedeutung sein.

In der vorgeschlagenen Novelle des Klimaschutzgesetzes in Deutschland sind dagegen Zeitvorgaben für die weitere Zielfestlegung vorgeschrieben. Bis Ende Dezember 2024 müssen die zulässigen Jahresemissionen für den Zeitraum ab 2031 festgelegt werden, und ebenso müssen die zulässigen Jahresemissionen für die Jahre 2041 bis 2045 spätestens im Jahr 2034 feststehen.

Inwieweit der rechtliche Rahmen für weitere inhaltliche klimaverträgliche Maßnahmen auf EU- und deutscher Ebene an die neuen Klimaziele angepasst werden müsste, wird davon abhängen, wie sich der Umfang und die Abdeckung des Emissionshandelssystem (EU-ETS) und der Lastenteilungsverordnung (ESR) auf EU-Ebene weiterentwickeln. Hier wird das Fit-für-55 Paket eine wichtige Rolle spielen. Zu den wichtigen Schwerpunktthemen des anstehenden Fit-for-55-Pakets der EU gehören die Überarbeitung des CO2-Preissystems (EU-ETS), die Gestaltung des Carbon Border Adjustment Mechanismus (CBAM), die Lastenteilungsverordnung (Effort-Sharing Regulation), die Novellierung der Energieeffizienzrichtlinie und der Energiesteuerrichtlinie sowie die Verordnung zur Festlegung der CO2-Emissionsstandards für neue Pkw und neue leichte Nutzfahrzeuge.

Darüber hinaus ist es wichtig, den weiteren internationalen Kontext der Eindämmung des Klimawandels und der globalen Zusammenarbeit im Auge zu behalten. In den Schlussfolgerungen der Sondertagung des Europäischen Rates, die am 24. und 25. Mai stattfand, wird auch der internationale Charakter der Verpflichtungen der EU hervorgehoben, insbesondere mit der folgenden Aussage: "Die EU unterstreicht ihre Bereitschaft, die globale Dynamik zu nutzen, und ruft ihre internationalen Partner – insbesondere die Mitglieder der G20 – auf, ihr Ambitionsniveau im Vorfeld der COP 26 in Glasgow zu erhöhen."

Politikgestaltung und Handlungsbedarf in Deutschland und der EU

Einer der Punkte, auf die sich die EU-Verhandlungen geeinigt haben, die Einrichtung eines Europäischen Wissenschaftlichen Beirats zum Klimawandel, eines Gremiums, das sich aus 15 wissenschaftlichen Experten verschiedener Nationalitäten zusammensetzt, signalisiert eine Betonung der wissenschaftsbasierten Politikgestaltung zur Erreichung der Ziele des Europäischen Klimagesetzes und des Pariser Abkommens. Zukünftige Gesetzgebung für den Klimaschutz muss evidenzbasiert, innovativ und von einer politischen Gewissheit getragen sein.

Die ehrgeizigen Ziele zur Treibhausgasreduktion müssen nun durch eine beschleunigte Politikgestaltung in mehreren Bereichen in Deutschland unterstützt werden. Im Klimapakt Deutschland, das zusammen mit dem Entwurf der Novelle des Klimaschutzgesetzes am 12. Mai 2021 veröffentlicht wurde, hat das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit die folgenden Schwerpunkte für unterstützende Maßnahmen identifiziert:

  1. Investitionspakt mit der Industrie für „klimafreundliche Produktion in Deutschland“
  2. beschleunigter Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft
  3. klimafreundliche Mobilität
  4. weitere Maßnahmen im Bereich Landwirtschaft
  5. Erweiterung der erneuerbarer Energie und Sanierung im Gebäudesektor
  6. die Prüfung der klimaschädlicher Subventionen

Die erste Hälfte des Klimajahres 2021 ist zweifelsohne außergewöhnlich gewesen. Historische Meilensteine sowohl in der EU als auch in Deutschland wurden in Form von Zielen festgelegt. Von diesen ambitionierten Zielsetzungen gibt es kein Zurück mehr. Die nächste Phase der politischen Entscheidungsfindung, die sich auf innovative Lösungen für die Umsetzung für konsequenten Klimaschutz in allen Sektoren konzentrieren muss, ist ebenso von außergewöhnlicher Bedeutung und muss in kurzer Zeit ehrgeizige und durchdachte Instrumente zur Erreichung der Ziele bereitstellen.