EPICO KlimaInnovation wird von einem unabhängigen Beirat aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft begleitet. Dieser berät die EPICO-Experten bei der strategischen Ausrichtung und den Leitlinien des Think Tanks.
In unserer Interviewreihe stellen wir die Arbeit, Expertise und Motivation jedes Beiratsmitglieds vor und beleuchten zentrale Fragen zur Zukunft der europäischen Energiewende.
Den Anfang macht Christoph von dem Bussche, Geschäftsführer von Gascade, dem deutschen Fernleitungsnetzbetreiber. Gascade leistet mit seinem Gastransportnetz mitten in Deutschland einen zentralen Beitrag zur Versorgungssicherheit und verbindet fünf europäische Nachbarländer. Zugleich setzt das Unternehmen wichtige Wasserstoffinfrastrukturprojekte im On- und Offshore-Bereich um.
Herr von dem Bussche, was hat Sie motiviert, dem EPICO-Beirat beizutreten?
Die Umsetzung der Energiewende ist eine Mammutaufgabe mit vielen Herausforderungen und unterschiedlichen Lösungsansätzen. Bezüglich der Dekarbonisierung der Industrie gibt es erste Antworten wie die Wasserstoffstrategie inklusive dem Wasserstoffkernnetz. Aber es gibt zugleich auch viele offene Fragen und lose Enden, wie zum Beispiel ein Gesamtenergiesystem aus Molekülen und Elektronen entwickelt werden kann. In so einer Zeit interdisziplinär und „Out oft the box“ zu denken, halte ich für wichtig. Zugleich müssen die Ergebnisse und Antworten immer wieder mit der Realität des jetzigen Energiesystems abgeglichen werden. Dafür bietet EPICO Klimainnovation eine wichtige Plattform und bringt unterschiedliche Stakeholder an einen Tisch. In diesen Dialog möchte ich gern meinen Blick aus der Praxis einbringen.
GASCADE hat jahrzehntelange Erfahrung und Expertise im Gastransport. Zugleich stellen wir uns der Herausforderung, wichtige Teile unseres Netzes auf den Transport von Wasserstoff umzustellen und da, wo es erforderlich ist, neue Wasserstoffleitungen zu bauen. Die Offshore-Pipeline AquaDuctus, die Kern eines europäischen Verbundnetzes für den Wasserstofftransport in der Nordsee werden soll, verfügt über den IPCEI-Status für wichtige europäische Projekte und ist Teil des deutschen Wasserstoff-Kernnetzes. Wir sind uns sicher, dass wir das erfolgreich umsetzen können – auch wenn gerade neue Pfade gegangen werden und auch wir viel dazu lernen.
Und man muss wissen: Wir stellen eine laufende Energieversorgung „im Betrieb“ um. Bis wir die Versorgung zu 100% aus Erneuerbaren Energien abdecken können, darf es bei der Erdgasinfrastruktur keine Probleme geben. In diesem Spannungsfeld können wir einen großen Beitrag leisten.
Worauf wird es in der nächsten EU-Legislaturperiode ankommen, um die Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben?
Um den Wasserstoffmarkt in Gang zu bringen, müssen wir die Infrastruktur schaffen. In Deutschland sind wir mit dem Wasserstoff-Kernnetz schon ein gutes Stück vorangekommen: Der Kernnetzantrag steht kurz vor der Genehmigung. Und davon profitiert nicht nur Deutschland, auch wenn es Vorreiter ist. Das Wasserstoffkernnetz sieht Verbindungen zu den europäischen Nachbarn vor, sodass der Binnenmarkt in Gänze davon profitieren wird und unsere europäischen Nachbarn perspektivisch mit Wasserstoff versorgt werden können. Mit dem kürzlich verabschiedeten EU-Gasmarktpaket wurde die gesetzliche Grundlage für einen europäischen Binnenmarkt für Wasserstoff geschaffen. Der ist wichtig. Nun gilt es diesen Rahmen mit Leben zu füllen. Die EU wird dabei an der Beantwortung der Frage arbeiten müssen, wo zeitnah, große, bezahlbare Mengen an Wasserstoff herkommen sollen. Da ist gerade in der Hochlaufphase Pragmatismus und Technologie-Offenheit gefragt.
GASCADE will mit der Offshore-Pipeline AquaDuctus den Start für den Aufbau eines Offshore-Verbundnetzes in der Nordsee schaffen. Ein solches Netz besteht aus vielen bidirektional nutzbaren Leitungen, die beispielsweise Wasserstoff aus Norwegen und UK nach Deutschland bringen können. Zugleich sammeln diese Leitungen Wasserstoff, der in der Nordsee selbst in Windparks und Energieinseln produziert werden soll, ein. Das ist ein schönes Beispiel für europäisches Kooperationspotenzial und wie wir Energiesouveränität in den kommenden Jahren und Jahrzehnten aufbauen können.
Welche Maßnahmen sind erforderlich, um Europas Infrastruktur bis 2030 für die EU-Wasserstoffziele zu rüsten?
Zum einen benötigen wir zeitnah eine europäische Offshore-Planung, die Infrastrukturprojekte in Nord- und Ostsee koordiniert. Hier müssen wir an EIN Gesamtenergiesystem denken. Kabel und Pipelines ergänzen sich. Wenn das gelingt, können wir den Vorteil von großskaliger Leitungsinfrastruktur zum Tragen bringen: Wenige vernetzte Pipelines für große Mengen Wasserstoff sind kostengünstiger und es schont Flächen, was insbesondere in der Nordsee relevant ist. Zudem können wir damit den Abtransport der Windenergie unterstützen. Mit dem neuen europäischen Wasserstoffverband ENNOH werden wir dieses Feld bestellen.
Darüber hinaus stellt sich die Frage nach den Investitionsbedingungen für die Wasserstoffinfrastruktur. Mit dem Kernnetz haben wir einen soliden Rahmen in Deutschland gefunden. Für alle weiteren erforderlichen Wasserstoffnetzausbauten in Deutschland und grenzüberschreitenden Projekten ist dies noch nicht der Fall. Dazu müssen zeitnah die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden – in Deutschland, aber auch unseren Nachbarländern. Nur dann kann der europäische Wasserstoffhochlauf gelingen.
Bei EPICO stellen wir uns den großen Herausforderungen der Energiewende. Entdecken Sie unsere Beiträge zum Thema Wasserstoff und bleiben Sie gespannt auf weitere Interviews mit unserem Beirat.
Mehr zum Thema Wasserstoff:
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- EU-Kazakhstan Green Hydrogen Partnership: Mapping Barriers and Establishing a Roadmap
- Design Options for a European Hydrogen Bank