EPICO KlimaInnovation wird von einem unabhängigen Beirat aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft begleitet. Dieser berät die EPICO-Experten bei der strategischen Ausrichtung und den Leitlinien des Think Tanks.
In unserer Interviewreihe stellen wir die Arbeit, Expertise und Motivation jedes Beiratsmitglieds vor und beleuchten zentrale Fragen zur Zukunft der europäischen Energiewende.
Wir stellen Christoph Bals vor, ein Gründungsmitglied von Germanwatch im Jahr 1991, der seit 2006 als Politischer Geschäftsführer der Organisation tätig ist. Sein unermüdliches Engagement für eine ambitionierte Klimapolitik hat eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung zahlreicher Initiativen für den Klimaschutz und globale Gerechtigkeit gespielt.
Herr Bals, was hat Sie motiviert, dem Beirat von EPICO beizutreten?
Die großen demokratischen Traditionen unserer Gesellschaft können allesamt von ihrem Wertefundament aus mit sehr relevanten Impulsen zu einer Wirtschafts- und Lebensform beitragen, die innerhalb weniger Jahrzehnte den Abschied vom fossilen Geschäftsmodell ermöglichen. EPICO kann hier eine Lücke füllen. Die christdemokratisch/konservativen und liberalen Parteien stehen vor einem Verzweigungspunkt. Geben sie sich der populistischen Versuchung hin oder treiben sie aus ihrer eigenen Wertebasis heraus die notwendige Transformation der Gesellschaft voran, die Menschenwürde, Freiheitsrechte und Enkeltauglichkeit unserer Gesellschaft sichert. Dazu stehe ich gerne als konstruktiver Gesprächspartner zur Verfügung.
Wie kann die EU den Balanceakt zwischen einer nachhaltigen und gerechten Transformation und der Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit schaffen?
In den letzten Jahren hat sich die Wettbewerbs-Situation für die EU deutlich geändert. Einerseits hatte man sich in eine starke Abhängigkeit von relativ günstigem russischem Gas hineinbegeben. Auch nach der ersten Phase des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Jahr 2015 wurde nicht die Konsequenz gezogen, diese Abhängigkeit systematisch abzubauen. Nach dem zweiten russischen Angriff musste dann sehr schnell der Abschied vom russischen Gas organisiert werden. Die Strom- und Gaspreise stiegen stark.
Zugleich treiben seit einigen Jahren die großen Wettbewerber USA und China den Kampf um Führungsrollen bei ökologischen Zukunftstechnologien mit massiven Subventionsstrategien voran. China hat die Führung beim Übergang zur Elektrifizierung und beim Einsatz Erneuerbarer Energien sowie bei den meisten dafür notwendigen Technologien übernommen. Die USA versuchen mit dem Inflation Reduction Act dagegenzuhalten. Für Unternehmen, die in diese Zukunftstechnologien investieren wollen, sind die Rahmenbedingungen in den USA und China günstiger. Damit droht die EU, lange Vorreiter, beim Wettbewerb um die Führungsposition bei der globalen Energiewende, abgehängt zu werden.
Die EU und Deutschland stehen vor der Entscheidung, ob sie durch eine Kombination von klaren Rahmensetzungen, wirkungsvollen Anreizen und Ordnungsrecht eine Weltmacht für die Zukunftstechnologien und -branchen sein will - in enger Kooperation mit Partnerländern in der Welt. Treibhausgasneutralität und Kreislaufwirtschaft sind die Kompassnadeln in diesem Wettlauf.
Zur Wettbewerbsfähigkeit gehört auch die Akzeptanz in der Bevölkerung. Die Maßnahmen müssen wirkungsvoll, fair und bezahlbar sein.
Zentral ist im Moment, dass die Investitionsblockade – die öffentliche Hand darf nicht, der Privatsektor will bei diesen Rahmenbedingungen nicht investieren – aufgebrochen wird. Es ist spannend zu sehen, dass dies bei der Wirtschaft, den Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft gesehen wird. Eine prima Grundlage für ungewöhnliche gesellschaftliche Allianzen.
Welche konkreten Ergebnisse bei der COP29 in Baku würden Sie als echten Fortschritt im globalen Klimaschutz sehen?
Im Verhandlungskontext geht es darum, die internationale Klimafinanzierung für die ärmeren Länder gründlich aufzustocken. Dies liegt im Interesse von uns allen, denn nur so lässt sich eine weit dramatischere Krisenkaskade abwenden. Wichtig ist, dass sich dabei alle bewegen – einerseits die Industrieländer. Aber auch die großen Emittenten unter den Schwellenländern – etwa die Ölstaaten, Singapur oder China – müssen angemessen dazu beitragen. Neue Finanzquellen – etwa Abgaben auf den internationalen Schiffs- und Flugverkehr – müssen das ergänzen.
Zentral ist auch, dass der projektbezogene Emissionshandel (Art. 6) so gestaltet wird, dass er dem Klimaschutz dient und nicht, wie sein Vorgänger CDM, ein Riesenschlupfloch aufreißt, das ernsthaften Klimaschutz untergräbt.
Durch Initiativen kann es Fortschritte beim Runterfahren der Methan-Emissionen, für den gemeinsam mit indigenen Völkern organisierten Regenwaldschutz in Brasilien, Kongo und Indonesien geben. Und eine Initiative sollte auf den Weg gebracht werden, das Solarparadox in Afrika zu brechen. Der Kontinent hat die besten Bedingungen für Solarenergie – aber die wenigsten Investitionen. Es ist in Afrika insgesamt bisher weniger PV installiert als in Bayern.
Bei EPICO nehmen wir die großen Herausforderungen der Energiewende aktiv an. Wir sind überzeugt, dass eine Klima- und Energiepolitik, die auf Wettbewerb und Innovation setzt, der Schlüssel ist, um CO2 und andere Treibhausgase verlässlich und effizient zu reduzieren. So können Umwelt- und Klimaschutz, nachhaltiges Wirtschaftswachstum und soziale Gerechtigkeit miteinander vereint werden. Entdecken Sie unsere neuesten Publikationen und bevorstehenden Veranstaltungen und bleiben Sie gespannt auf weitere Interviews mit unserem Beirat.