EPICO KlimaInnovation wird von einem unabhängigen Beirat aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft begleitet. Dieser berät die EPICO-Experten bei der strategischen Ausrichtung und den Leitlinien des Think Tanks.
In unserer Interviewreihe stellen wir die Arbeit, Expertise und Motivation jedes Beiratsmitglieds vor und beleuchten zentrale Fragen zur Zukunft der europäischen Energiewende.
Wir stellen Hildegard Müller vor, seit 2020 Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Sie bringt eine beeindruckende Karriere mit, darunter ihre Rollen als Chief Operating Officer bei innogy SE und als Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Was hat Sie motiviert, dem Beirat von EPICO beizutreten?
In meinen beruflichen Stationen war es mir immer ein wichtiges Anliegen, dass bei Fragen der Klima- und Energiepolitik nicht einseitig nur über Ziele diskutiert wird, sondern vor allem die Frage im Fokus steht, wie wir diese Ziele als starkes Industrieland erreichen können. Und zwar nicht gegen sondern mit Hilfe unserer Unternehmen und ihren Innovationen. Leider kommt dieser Aspekt in den politischen Diskussionen nach wie vor zu kurz, weshalb die Arbeit von EPICO für mich eine hohe Bedeutung hat. Dementsprechend habe ich mich sehr über die Gelegenheit gefreut, im Beirat mitwirken zu können. Nicht zuletzt die jüngste BDI[1]Transformationspfade-Studie, an der wir als VDA intensiv mitgearbeitet haben, zeigt eindrücklich: Solange wir bei zentralen Wettbewerbsfaktoren wie Energiepreisen, aber auch Infrastruktur, Fachkräften und Bürokratieabbau international nicht wieder aufholen, rücken auch die Klimaziele in zunehmend weite Ferne. Um der Politik hierbei mit Expertise zur Seite zu stehen und, um die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit Deutschland den Umbau seiner Industrielandschaft auf Klimaneutralität erfolgreich und zukunftsfest gestalten kann, ist die Arbeit von EPICO nicht hoch genug einzuschätzen. Ich freue mich daher, an dieser Mission weiterhin teilhaben zu dürfen.
Worauf wird es in der nächsten EU-Legislaturperiode ankommen, um die Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben?
In der nächste EU-Legislaturperiode ist es entscheidend, dass die ambitionierten CO₂- Reduktionsziele im Einklang mit dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie umgesetzt werden. Dazu gehört auch, dass die Reviewprozesse der CO2-Flottenregulierung vorgezogen werden sollte, um die Wirkung der Vorgaben zu kontrollieren und die erforderlichen Rahmenbedingungen für einen schnellen Hochlauf der Elektromobilität anzupassen. Kritisch bleiben z. B. die unzureichende gemeinsame EU-Energiepolitik oder der fehlende Link zur AFIR. Denn ohne eine ausreichende Lade- und H2-Tankinfrastruktur wird der Hochlauf nachhaltiger Antriebskonzepte ausgebremst. Um Klimaneutralität im Verkehrssektor zu erreichen, sollte die EU außerdem eine technologieoffene Herangehensweise wählen, die auch erneuerbare Kraftstoffe insbesondere für den Bestand an Fahrzeugen berücksichtigt. Diese sind entscheidend, um die Bestandsflotte und, mit Blick auf die Nutzung von Wasserstoff, insbesondere den Schwerlastverkehr zu defossilisieren. Mit Elektromobilität allein werden wir die Klimaziele im Verkehr nicht erreichen können. Zudem ist ein klarer Zielpfad über 2030 hinaus notwendig, um Investitionen in erneuerbare Kraftstoffe zu fördern. Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit insbesondere unserer heimischen Industrie hängt entscheidend von den Strompreisen ab. Diese sind im internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig. Gerade im Vergleich zu Wettbewerbern aus den USA und China zahlen deutsche Unternehmen teilweise bis zu drei Mal höhere Preise. Zwar weisen die bisherigen Entlastungen der Bundesregierung, wie z. B. bei der EEG-Umlage und der Stromsteuer, in eine richtige Richtung. Wichtig ist dabei nicht zuletzt eine unbefristete Absenkung der Stromsteuer, die gerade auch für den industriellen Mittelstand eine erhebliche Verbesserung darstellt. Für die Automobilindustrie sind außerdem vor allem eine spürbare Entlastung bei der Batterie- und Halbleiterproduktion, z. B. über das bekannte Instrument der Strompreiskompensation, sowie eine notwendige Co-Finanzierung der Netzentgelte notwendig. Mit Blick auf ein globales Level-Playing-Field lege ich der Politik zudem dringend einen stärkeren Fokus auf den Abschluss von Energie- und Rohstoffpartnerschaften sowie von neuen Freihandelsabkommen ans Herz. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere wichtige Stellschrauben, um die Standortattraktivität wieder zu steigern und damit höhere Investitionen der Unternehmen in die Transformation zu ermöglichen. Entscheidende Stichpunkte sind hierbei u.a. Bürokratieentlastung, Steuererleichterungen, Fachkräftesicherung und Arbeitskostenentlastung.
Wie gut ist die europäische Automobilindustrie auf die Revolution der Elektromobilität vorbereitet?
Die Frage würde ich anders stellen wollen. Es geht nicht darum, wie wir vorbereitet sind. Vielmehr befinden wir uns längst in einer erfolgreichen Transformation. Von 2024 bis 2028 investieren die Hersteller und Zulieferer der deutschen Automobilindustrie weltweit rund 280 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Der Fokus der Investitionen liegt auf der Transformation, insbesondere der Elektromobilität inklusive Batterietechnik, aber auch auf autonomem Fahren sowie Digitalisierung. Der hohe Exportanteil verdeutlicht vor allem einen zentralen Aspekt: Zwar geht aktuell die Inlandsnachfrage nach Elektroautos leider zurück. Gleichzeitig steigt die Inlandsproduktion aber weiter an, und zwar um rund vier Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dies zeigt auch, dass die Autoindustrie nach wie vor liefert, allerdings hängt es von den jeweiligen Rahmenbedingungen ab, in welchen Märkten unsere Elektroautos abgesetzt werden. Ich würde also festhalten, dass wir als innovative Automobilindustrie für die Herausforderungen gewappnet sind. Das große Problem liegt hingegen in der Krise des Standorts Deutschland und Europa. Damit die Unternehmen auch weiterhin in Deutschland und Europa produzieren, damit Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze sichern und die Transformation erfolgreich gestalten können, braucht es die oben bereits dargelegten Maßnahmen
Bei EPICO nehmen wir die großen Herausforderungen der Energiewende aktiv an. Wir sind überzeugt, dass eine Klima- und Energiepolitik, die auf Wettbewerb und Innovation setzt, der Schlüssel ist, um CO2 und andere Treibhausgase verlässlich und effizient zu reduzieren. So können Umwelt- und Klimaschutz, nachhaltiges Wirtschaftswachstum und soziale Gerechtigkeit miteinander vereint werden. Entdecken Sie unsere neuesten Publikationen und bevorstehenden Veranstaltungen und bleiben Sie gespannt auf weitere Interviews mit unserem Beirat.